Bach mit abgeschnittenem Zopf Lichun Su überzeugt im Prinzenpalais mit meditativer Ausdrucksdichte und Expression Von Rainer Sliepen Wolfenbüttel. "Bach-Marathon" mit der Taiwanerin Lichun Su im Prinzenlapais-Ein leichtes Missverständnis. Das von Tonart veranstaltete Konzert ist keinem Langstreckenlauf vergleichbar, dessen Ziel man mit hängender Zunge, rasendem Pils und kurz vor dem Zusammenbruch erreicht.
Das " Wohltemperierte Klavier", eine Sammlung von Präludien und Fugen von Johann Sebastian Bach, verlangt vom Interpreten zu jedem Zeitpunkt eine Bombenkondition, geistige Frische und künstlerische Hochform. Die erste Weichenstellung vollzieht sich mit der Wahl des Instruments. Lichun Su wählt statt eines Cembalos einen Konzertflügel. Eine Entscheidung für Ausdruck, Emotionalität , Subjektivität und dynamische Differenzierung und damit gegen falsch verstandene "kristallklare" Objektivität oder Werktreu. Bach selbst hat mit der Vielzahl seiner Auffassungen von Präludium und Fuge zu einer lebendigen Interpretation ermuntert. Damit sind musikwissenschaftliche Kategorien wie gelehrt oder galant hinfällig. Man höre das wunderbare Eingangspräludium mit seiner beständig aufsteigenden fließenden Melodielinie, das wohl jeden Hörer begeistert. Lichun Su verstärkt den zauberhaften Effekt mit viel Pedal und erzeugt so romantische Klangeffekte. Das ist ein Bach mit abgeschnittenem Zopf, diesseitig, modern, ganz nah bei seinen Hörern. So gestaltet die Pianistin, von Bach geleitet, auch die folgenden Kompositionen. In die Fugen hat Bach seine ganze Kunst und Technik gelegt. Die Perfektion und Virtuosität seiner Kontrapunktik offenbart sich beim Hören kaum, dafür umso mehr ihre Rhythmik und tänzerische Durchformung. Kontraste setzt Bach mit klassischer Fugenverarbeitung in höchster Transparenz. Da kann der Hörer die von Lichun Su mit großer Durchsichtigkeit ausgebreitete Vielstimmigkeit verfolgen, die Strukturen nachvollziehen. Bach hat sein "Clavier-Kompendium" als Lehrwerk für nachfolgende Komponistengenerationen verstanden. Das ist es auch. Aber in seinen Präludien gelangt Bach und mit ihm Lichun Su zu einer meditativen Ausdrucksdichte und Expression, die zum Mitträumen verführt. Gerade die Adagios, von Bach nicht so bezeichnet, muten nicht selten wie verhangene Nachtstücke eines Komponistengenies an, das wir auf seiner Gedankenreise in fremde Welten begleiten dürfen. "Sind Sie erschöpft?", frage ich die auswendig spielende Solistin nach Konzertende. Kurze Pause. Dann: " Das ist Arbeit, intensiv, fordernd". Doch ein wenig wie Marathon - denke ich mir - und hochbeglückend. Offensichtlich auch für das Publikum, das Lichun Su mit Langem Beifall dankt.
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Schubert Wanderer-Fantasy Braumschweiger Newspaper 13. July, 2015 Page 18, region Wolfenbuettel Kritik: "Li-Chun Su spielt es mit messerscharfer Praezision, transparent in seiner Polyphonie, unausweichlich in seiner schonungslosen Selbstbefragung" Critic: "Li-Chun Su plays it with razor-sharp precision, transparent in Schubert's polyphony, unescapable in his pitiless self- questioning." 舒伯特 流浪者幻想 樂評 蘇立群詮釋犀利精,所有聲部清晰透徹, 完整呈現舒伯特對自我生命毫無保留的質疑 。 Li-Chun Su plays it with razor-sharp precision, transparent in Schubert's polyphony, unescapable in his pitiless self- questioning.
Die Stimmung der vielen Gäste beim Freundeskreis Musik in Gaußig ist ungemein festlich, denn das letzte Konzert der jahrzehntelangen Reihe ist angesagt. „Wenn’s am Schönsten ist…“, folgert längst Holger Weißig und begrüßt mit lachendem und weinendem Auge die aus Taiwan stammende Konzertpianistin Li Chun Su. Eine schöne Tradition endet und Ehepaar Claudia und Holger Weißig sind samt Tochter, Sohn und Enkel noch mal allerbeste Gastgeber.
Seit 2013 hat die Musikreihe eine neue Blütezeit, die in die Lausitz strahlt. Ihr Credo: hochkarätige Kammermusik aller Epochen bei Beachtung der Zielstellung des von Hans Rausendorf 1975 im Spiegelsaal gegründeten Musikkreises. Aufsteller und Chroniken bekräftigen die Ausstrahlung der Konzerte. So schwärmen ältere Stammgäste noch von Fahrten zum „Prager Frühling“, zur Semperoper, zum Schauspielhaus Berlin oder nach Potsdam. Wussten von zig Violin- und Klavierabenden bis zu Terrassen- und Harfenkonzerten und deren prominenten Künstlern. Nun erklingt ein letztes Mal Klaviermusik von Barock bis Spätromantik, sorgfältig ausgewählt für den Abschiedsabend. Li Chun Su, die ihr Konzertexamen 2008 an der Berliner Akademie der Künste ablegte, beginnt mit Variationen G-Dur von G. F. Händel, lässt das heitere Thema verträumt gleiten, sich steigern und in elegant virtuosen Tastenzauber tauchen, der glanzvoll schließt. Applaus prasselt zur sympathischen Interpretin, die den Abend auch mit Anekdoten zu Werken und ihren Meistern bereichert. Die Ruinen von Athen, eine Variation von Ludwig van Beethoven, gibt sie fantasievoll energisch, macht dem expressiven Stil des Komponisten mit wild wirbelnder Bewegtheit und Fortissimo-Treiben Komplimente und endet mit Kühnheit. Die d-Moll-Chaconne BWV 1004 präsentiert sie in einer Bach-Busoni-Fassung. Der Flügel glüht Dramatik. Doppelgriffe, Tonleiterfiguren rasen dahin, schaffen Spannungsbögen der Wärme, des Nachdenkens. Trumpfen einfallsreich mit dem Mollcharakter und schließen monumental. Die Stimmung knistert Wehmut der Erlesenheit. Mit Stücken von Frédéric Chopin wie der Barcarolle op. 60 oder den Nocturnes aus op. 9 löst die Künstlerin Zauber der Romantik aus, ehrt den sensiblen Konzertvirtuosen, der achtjährig sein erstes Konzert spielte. Flügelglanz säuselt, tanzt und flirrt tremolierend, formt Leidenschaft der Durchsichtigkeit und Arpeggien der Noblesse. Ist Feuerwerk der Seele mit polnischem Idiom. Franz Liszts bekannteste Ungarische Rhapsodie Nr. 2 beschließt mit prägnanter Rhythmik seiner Heimat den Abschiedsabend. Sanftheit wühlt in Tiefen, braust in Eckpunkten. Turbulenz der Zigeunermusik ist Wildheit des Tanzes. Delikatesse einer Meisterin ihres Faches, die keine Note braucht, ist Rausch und Klang der Superlative. Bravos fliegen ihr zu. Weiße Rosen und Riesenovationen danken. Genussreiche Zugaben bis zu Gershwin erfreuen. Bleibt der krönende Abschluss stehender Ovationen bei der Hommage von Konrad Schulz und Bärbel Knebel-Schubert sowie vom Vorstand des Heimatvereins, die der Familie für alle Musikfreude danken und dem Ehepaar Weißig ein geheimnisvolles Dankesherz und prächtige Blumengebinde für neue Freuden überreichen. |
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November 2023
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