Bericht über Li-chun Su, Berliner Morgenpost 10.5.2013 Carola Schueren KÜNSTLERBERUFE
Der steinige Weg einer Pianistin Von Carola Schüren Wie die meisten ihres Fachs, muss die Musikerin Li-Chun Su aus Taiwan viele Hürden überwinden, um auf der Bühne Erfolge zu feiern und in dieser hart umkämpften Branche ihren Platz zu finden. Die Klaviersonaten aus Ludwig van Beethovens später Schaffensperiode spielt Li-Chun Su besonders gern. "Er hat diese schwierigen Werke komponiert, obwohl er komplett taub war", erzählt die junge Pianistin "Beethoven hat nie aufgegeben, sondern seine Ziele hartnäckig verfolgt. So ähnlich bin auch ich." Ganz klar, dass Li-Chun Su bei ihrem jüngsten Klavierabend Ende April im Schloss Britz/Kulturstallein Werk des gehörlosen Beethovens präsentierte, und zwar seine letzte Klaviersonate, die selten aufgeführte Nr. 32 in c-Moll, op. 111. Ein schwermütiges, technisch sehr anspruchsvolles Stück von nur zwei Sätzen, die aber knapp 30 Minuten dauern. Die zierliche Taiwanerin sitzt vor dem mächtigen Bechstein-Flügel. Ihre Finger fliegen virtuos über die Tasten, die Töne vibrieren zwischen den dicken Betonpfeilern des Kulturstalls. Es brandet Applaus auf, die Zuschauern trampeln. Li-Chun Su schaut konzentriert ins Publikum. Das schwarze Samtkleid und die hochgesteckten Haare unterstreichen ihre ernsthafte Ausstrahlung. Ihr schlichtes Auftreten hat Seltenheitswert in Zeiten übertriebener Selbstvermarktung. "Ich interessiere mich als Künstlerin für den Kontext der Musik und möchte nicht durch meine äußere Erscheinung ablenken, sondern die Menschen mit meiner Direktheit berühren", sagt Li-Chun Su. Am 14. Mai um 19 Uhr wird sie das wieder versuchen, bei einem Konzert im Französischen Dom am Gendarmenmarkt. Große KonkurrenzTag für Tag, Jahr für Jahr arbeitet sie weiter an sich, an der Tiefe und Ernsthaftigkeit als Interpretin klassischer Musik. Vielleicht war ihre Hartnäckigkeit einer der Gründe, warum Li-Chun Su 2001 die Aufnahmeprüfungen für das Fach Klavier gleich an beiden Berliner Musikhochschulen – an derUniversität der Künste (UdK) sowie der Hochschule für Musik Hanns Eisler – mit Bravour bestand und sich – unter anderem mit einer späten Beethoven-Sonate – gegen jeweils 250 Mitbewerber durchsetzen konnte. Die Jury entschied sich für sie als eine von sechs. Sie wiederum entschied sich für die UdK und los ging's. Li-Chun Su, in Jeans und Bluse, nippt an ihrem Orangensaft, lächelt charmant und erinnert sich: "Berlin gilt in der Beziehung als eines der schwierigsten Pflaster weltweit,", sagt sie, "denn alle wollen hier studieren." Schließlich ist die kulturelle Vielfalt der Stadt und die Reputation der hiesigen Musikhochschulen von internationalem Renommee. Dabei hatte es Li-Chun Su, die schon als Dreijährige Melodien auf dem Piano nachspielen konnte, nur zufällig nach Berlin verschlagen: "Ich habe eine Freundin aus Taiwan besucht." Sie nutzte den Kurztrip, um sich eine Klavierstunde an der UdK anzuhören. "Diese Stunde hat mein Leben verändert", erzählt sie, "weil ich musikalisch sofort eine ganz andere Dimension und viel stärkere Intensität im Vergleich zu dem Klavierstudium an der Universität in Taipeh spürte." Bald gewann die junge Asiatin nationale und internationale Klavierwettbewerbe sowie 2007 den Internationalen Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Wettbewerb der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und den Artur-Schnabel-Wettbewerb. Ihr Leben finanzierte sie mit Hilfe von privaten Klavierstunden, kleineren Konzerten – und von Stipendien. "Dank der Studienhilfe konnte ich mich um meine eigenen Ziele kümmern und übte wenigstens sechs Stunden pro Tag." Seit 2008 nun behauptet sie sich als Freiberuflerin in dieser hart umkämpften Branche und stellt sich schon manchmal die Frage, wie es denn mit ihr weitergeht. Sieben Tage pro Woche gibt sie Klavierunterricht und bereitet sich gleichzeitig auf ihre Konzerte vor. Etwa 25 gibt sie pro Jahr, in der Regel in kleineren Sälen. Weil sie den Ruf hat, als Ersatz-Solistin bei Konzerten schnell einspringen zu können, fährt sie fast nie in den Urlaub. Li-Chun Su lebt bescheiden. Sie hat weder einen Agenten noch einen Mentor, weder einen Sponsor noch eine reiche Familie, die sie fördern. "Ich komme nicht aus einem Künstlerhaushalt", sagt sie. Ihre Eltern verstehen nicht, dass die Tochter ihr Leben der Musik opfert. Was bedeutet eine ruhmreiche Karriere als Pianistin? Können und Niveau – optimale Selbstvermarktung und hohe Gagen? Oder alles zusammen? Geht es in der Branche überhaupt noch darum, wie gut jemand spielt? Unübersichtlicher MarktEinstige Weltstars wie Artur Rubinstein oder Vladimir Horovitz gibt es kaum noch. Stattdessen tummeln sich viele gleich gut ausgebildete Pianistinnen und Pianisten auf dem Markt. Die Agenturen sind zwar stets auf der Suche nach jungen, neuen Gesichtern. Dennoch lehnen sie oft Einladungen zu Konzerten ab mit der Begründung: Keine Zeit, kein Bedarf! "Man muss Glück haben", sagt Li-Chun Su. Vor Konzerten macht sie sich Sorgen, ob der Saal voll wird. "Dass irgendetwas vibriert", wie sie es ausdrückt, "und die Leute nicht mehr kommen." Dabei möchte sie sich nur um ihren Zugang zur Musik kümmern, der mit jedem Lebensjahr "immer tiefer und reifer" wird. "Das ist ein enormer Energieaufwand für mich." Die meisten ihrer Mitstreiter haben irgendwann aufgeben und machen jetzt andere Jobs. Li-Chun Su hingegen kann ohne die Musik nicht leben – so wie einst Ludwig van Beethoven.
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